

Die deutschen Gasspeicher sind nur zu 70 Prozent gefüllt, der größte deutsche Speicher sogar nur zu einem Drittel. Kommen wir trotzdem sicher durch den Winter?
Diese Werte sind für die Jahreszeit niedrig, aber sie sind noch kein Anlass zur Sorge. Die Speicher von RWE sind zu 91 Prozent gefüllt, auch in anderen europäischen Ländern liegen die Füllstände hoch. Das reicht für einen normalen Winter.
Wie werden sich die Gaspreise entwickeln?
Der Gasmarkt geht davon aus, dass es weiter keine Lieferungen aus Russland gibt und der Winter durchschnittlich kalt wird. Die Gaspreise am Großhandelsmarkt dürften stabil bleiben bei um die 30 Euro je Megawattstunde. Damit liegen wir nach den Rekordpreisen 2022 (über 300 Euro pro MWh) wieder auf einem normaleren Niveau. Aber immer noch über den Preisen vor der Energiekrise.
Ein Drittel des Gases bekommt Deutschland aus Norwegen, das damit so bedeutsam für uns ist wie früher Russland. Ist das riskant?
Norwegen ist ein bedeutender und verlässlicher Partner. Wichtig ist, aber auch Alternativen zu haben und nicht von einer Zulieferung abzuhängen. Zugleich ist es wichtig, die kritische Infrastruktur, die Pipelines, zu schützen.
Werden die Nord-Stream-Pipelines jemals wieder in Betrieb gehen? Sachsens Ministerpräsident Kretschmer spricht sich für Gespräche mit Russland aus.
Erst muss Russland die Angriffe stoppen, es muss einen verlässlichen Frieden und Sicherheitsgarantien für die Ukraine geben, bevor wirtschaftliche Themen anstehen. Dies ist am Ende eine politische Frage.
In Kürze legt Ministerin Reiche den Monitoringbericht Energiewende vor. Der Versorgungssicherheitsbericht ist gerade veröffentlicht. Was erhoffen Sie sich davon?
Was den Monitoringbericht angeht, ist es richtig, Haltepunkte einzuziehen und zu schauen, ob die bisherigen Ziele und Maßnahmen nachgeschärft werden müssen. Mit Blick auf die Versorgungssicherheit brauchen wir Gaskraftwerke, wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint. Wir erwarten nun schnell Klarheit, wie der Bund den Bau anreizen will. Idealerweise schreibt er zehn Gigawatt sofort aus. In einem wettbewerblichen Prozess, wo der günstigste Anbieter den Zuschlag bekommt. Wir erwarten, dass die Kosten für diese Versorgungssicherheit bei rund 0,2 Cent pro Kilowattstundeliegen, das heißt weniger als ein Prozent des Strompreises. Wir müssen jetzt schnell ins Bauen kommen – auch um den Kohleausstieg zu ermöglichen. RWE plant, drei Gigawatt an Gasblöcken an bisherigen Kohlestandorten in NRW zu bauen.
Ist der Kohleausstieg 2030 in NRW nicht längst illusorisch?
Am 31. März 2030 ist für uns Schluss mit der Braunkohle in NRW. So haben wir es mit Bund und Land vereinbart. Ab 2026 wird die Politik die Lage überprüfen. Wenn sie dann der Meinung ist, dass Braunkohle weiter als Reserve nötig ist, stehen wir zwar bereit. Doch dann muss der Staat diese Reserve organisieren und auch die nötigen CO2-Zertifikate bezahlen. Wir betreiben die Anlagen dann nur noch gegen Kostenerstattung im Auftrag der Regierung.
Wäre ein Weiterbetrieb möglich?
Unsere Planungen sind auf die Abschaltung 2030 ausgerichtet. Eine Reserve für weitere drei Jahre wäre möglich. Das haben wir der Politik zugesagt und war Teil des Vertrages zum Ausstieg 2030.
Was würde das für die Beschäftigten bedeuten?
Derzeit haben wir noch rund 6.000 Mitarbeiter in der Braunkohle. Bis 2030 wird die Zahl auf rund 2.000 sinken. Für unsere Beschäftigten ist Planungssicherheit wichtig. Sollte die Politik eine Reserve nach 2030 beschließen, müssten wir uns anschauen, ob Umplanungen nötig sind.
Energieministerin Katherina Reiche hat unlängst an einem Treffen der Europäischen Nuklear-Allianz teilgenommen. Ist die Atomkraft für Deutschland doch wieder eine Option?
Schon als Kind habe ich über den Rhein blickend gesehen, wie vehement Gegner und Befürworter damals in Kalkar demonstrierten. Für jede Technologie braucht es gesellschaftliche Akzeptanz. Ich sehe nicht, dass es die in Deutschland für die Kernkraft in einer Breite gibt, die für Milliarden-Investitionen notwendig wäre. Das Thema Kernkraft ist für uns in Deutschland durch. Unsere deutschen Kernkraftwerke befinden sind im Rückbau.
Schaut sich RWE denn Weiterentwicklungen bei der Kernkraft an?
Wir schauen uns alle bestehenden und neuen Technologien zur Stromerzeugung an. Dazu gehört auch die Entwicklung von Fusionstechnik und Small Modular Reactors, wie sie in den USA geplant sind. Ob in Deutschland in den kommenden Jahrzehnten Investitionen möglich sind, ist eine Frage der gesellschaftlichen Akzeptanz und politischen Rahmenbedingungen.
Früher sorgte man sich um eine Stromlücke. Wie viel Strom brauchen wir künftig in Deutschland?
Für die erwartete Stromnachfrage braucht es einen Realitätscheck: Bei den aktuellen Ausbauzielen von Netz und Erneuerbaren wird die Stromnachfrage überschätzt. Die Stromnachfrage der Industrie liegt deutlich unter den Prognosen, aus Strom produzierter Wasserstoff kommt deutlich weniger als erwartet. Daran sollten sich auch die Pläne zum Netz- und Ökostrom-Ausbau orientieren. Die Energiewende muss effizienter werden.
In die USA: Präsident Donald Trump hat die Förderung von Offshore-Windparks gestoppt. Will RWE investieren?
Wir haben in den USA derzeit Anlagen für sechs Milliarden Dollar im Bau – Onshore-Windparks, Solaranlagen, Speicher. Nur die Planung unseres Offshore-Windparks, der Strom für den Staat New York liefern soll, haben wir auf Eis gelegt. Eine Investitionsentscheidung hatten wir noch nicht getroffen. Wir warten auf die weiteren Entwicklungen. Die Flächen sind bis 2060 gepachtet.
Bleiben die USA für RWE attraktiv?
Ja, gerade in den USA entwickelt sich die Stromnachfrage sehr dynamisch. Die USA, Deutschland und Großbritannien – das sind unsere drei größten Märkte. Das soll so bleiben.
Sie haben selbst in Pennsylvania studiert. Wie blicken Sie auf die USA unter Trump, der das Land in Richtung Autokratie umbaut?
Die USA sind und bleiben ein großartiges Land. Die Midterm-Wahlen im nächsten Jahr dürften entscheiden, wie es weitergeht. Zeigen die Wähler Trump Grenzen auf oder unterstützen sie seinen Kurs?
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