Wasserstoff: So gelingt der Hochlauf

1. Die Ausgangslage: Große Fortschritte und weiteres Potential

Wasserstoff ist eine Schlüsseltechnologie für die Dekarbonisierung, vor allem in der Industrie und im Transportsektor. Viele Pilotprojekte mit Wasserstoffanwendungen wurden auf die Schiene gesetzt, z.B. im Schwerlastverkehr, für den Wasserstoffeinsatz in Chemie- und Stahlindustrie oder für den Ersatz grauen Wasserstoffs in Raffinerien. Dass der Wasserstoffhochlauf funktionieren kann, zeigen erste Investitionsentscheidungen und Beispiele wie etwa der Liefervertrag zwischen RWE und Total Energies über 30.000 t p.a. grünen Wasserstoff von Lingen nach Leuna.

Auch beim Ausbau der notwendigen Infrastruktur, die das Fundament legt, um Angebot und Nachfrage zu verbinden, geht es voran – erste Abschnitte des nationalen Wasserstoffkernnetzes sind bereits von Erdgas auf Wasserstoff umgestellt. Wichtig ist jetzt, diesen Ausbau konsequent, bedarfsorientiert und zeitgerecht fortzusetzen.

Eine moderne Industrieanlage mit großen Maschinen und blauen Wasserzeichen auf Glaswänden.

Trotz allem ist, wie bei jeder neuen Technologie, der Kostenunterschied von erneuerbarem und kohlenstoffarmem Wasserstoff zum heute verwendeten grauen Wasserstoff noch groß. Statt diese Lücke zu schließen, wird sie nach Stand aktueller Regulierung bis 2030 sogar noch einmal deutlich größer: Viele Übergangsregelungen, die den Markthochlauf in der Anfangsphase begünstigen sollten, laufen aus. Dazu zählen z.B. in Deutschland die Befreiung der Elektrolyseure von Stromnetzentgelten und Umlagen oder aber EU-weit Erleichterungen beim Strombezug zur Erzeugung grünen Wasserstoffs.

Es ist also höchste Zeit zu handeln und dafür zu sorgen, dass Wasserstoff halten kann, was er verspricht: eine echte Dekarbonisierungsoption zu angemessenen Kosten. Die vorhandenen Kostensenkungspotentiale sind gewaltig. Mit den richtigen Entscheidungen werden die heimische Produktion elektrolytisch hergestellten Wasserstoffs und Importe gegenüber grauem Wasserstoff wettbewerbsfähig und in großen Volumina verfügbar. Damit wird auch die Infrastruktur ausgelastet und eine verlässliche Planungsperspektive für die Dekarbonisierung von Transportsektor und Industrie geschaffen.


2. Große Hebel für Kostensenkungen: Wasserstoff wird wettbewerbsfähig

Mit dem heute für 2030 verankerten Rechtsrahmen liegen die Vollkosten grünen Wasserstoffs für künftige Projekte bei rund 11 €/kg H2 beim Kunden – technischer Fortschritt und Erlöse aus Systemdienstleistungen bereits eingerechnet. In diesen Kosten enthalten: die Investitions- und Betriebskosten, sowie die Kosten für den verwendeten Strom zuzüglich der ab 2030 für neue Elektrolyseure anfallenden Netzentgelte und Umlagen. Weiterhin enthalten sind Kosten für Transport und am Kundenbedarf orientierte Lieferung des Wasserstoffs. Das ist viel zu hoch, denn das Konkurrenzprodukt, der graue Wasserstoff (ohne CO2-Kosten), kostet nur rund 3 €/kg H2.

Die gute Nachricht: die Wettbewerbsfähigkeit von Wasserstoff lässt sich durch die Senkung der Produktions- und Bereitstellungskosten erheblich steigern. Der größte Hebel zur deutlichen Senkung der Vollkosten liegt in der pragmatischen Vereinfachung der Regulierung:

a.  Anpassung europäischer Regulierung: 3 bis 4 €/kg H2

Der europäische Emissionshandel reicht als Anreizinstrument völlig aus, der Delegierte Rechtsakt bietet keinen Mehrwert. Durch die Abschaffung der einengenden Kriterien des Delegierten Rechtsakts für grünen Wasserstoff („RFNBO“) können die Kosten in Deutschland somit um rund 2 €/kg H2 gesenkt werden. Zudem würde die verbesserte Stromverfügbarkeit sowohl die betrieblichen Risiken für die Elektrolyseure reduzieren als auch eine kontinuierliche Belieferung für Kunden ermöglichen. Die schwankende Wasserstoffproduktion aufgrund volatiler Einspeisung erneuerbaren Stroms entfiele und der Bedarf für eine physische Zwischenspeicherung sinkt deutlich.

Durch eine dauerhafte Verlängerung der Strompreiskompensation, die nach 2030 ausläuft, würde die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie gestärkt. Gleichzeitig ließen sich die Kosten für grünen Wasserstoff ab 2030 um ca. weitere 1-2 €/kg H2 senken.

b.  Unterstützende nationale Regulierung: mehr als 3 €/kg H2

Mit den passenden Änderungen des Regulierungsrahmens lässt sich für die heimische Erzeugung von grünem Wasserstoff ein Kostensenkungspotential von insgesamt mehr als 3 €/kg H2 heben: 

  • Die derzeit geltende Stromnetzentgeltbefreiung für Elektrolyseure läuft für ab August 2029 in Betrieb gehende Projekte aus – der Wert beträgt rund 2 €/kg H2. Mit einer einfachen Anschluss-regelung können Elektrolyseure in die künftige Reduzierung der Entgelte für Industrie und Gewerbe entsprechend ihrer markt- und systemdienlichen Nutzung von Flexibilitätspotentialen einbezogen werden. Auch elektrolytisch erzeugter kohlenstoffarmer Wasserstoff würde davon profitieren.
  • Die Umlagenbefreiung (Offshore-Netzumlage, KWK-Umlage mit circa 1 €/kg H2 in Summe) gilt bislang nur für Anlagen zur Herstellung von grünem Wasserstoff, die vor 2030 in Betrieb genommen werden. Ihre Verlängerung auch für später in Betrieb gehende Anlagen macht Investitionen in zukunftsweisende Technologien attraktiv. 
  • Durch eine Überarbeitung der Preissetzungskriterien des §13k EnWG („Nutzen statt Abregeln“), kann Elektrolyseuren eine attraktive Teilnahme am entsprechenden §13k-Markt und damit ein system- und netzdienlicher Strombezug (Absenkung um rund 0,5 €/kg H2) ermöglicht werden.

Mit diesen Änderungen von EU- und nationalem Recht reduzieren sich die Vollkosten für grünen Wasserstoff in Deutschland in 2030 von rund 11 auf unter 6 €/kg H2.


3. Stabilisierung der Nachfrage erreichen

Neben der Wettbewerbsfähigkeit von Wasserstoff ist die Stabilisierung der Kundennachfrage zentral. Der Nachfrage kann insbesondere im Transportsektor inkl. Raffinerien ein Schub verliehen werden: Durch die bevorstehende nationale Umsetzung der RED III im Transportsektor wird die Nachfrage signifikant gestärkt.

Die nationalen Treibhausgasminderungsziele bis 2040 und die Einführung einer Unterquote für RFNBO, die über ursprüngliche Anforderungen der RED hinausgeht, können den Wasserstoffhochlauf erheblich unterstützen. Diese Anreize bieten das Potenzial, dass mehr Investitionsentscheidungen getroffen werden.


4. Technischen Fortschritt beschleunigen

Neue Elektrolyseur-Konzepte bieten einen deutlich höheren Wirkungsgrad und niedrigere Investitionskosten, sind aber noch nicht marktreif. Ein Forschungs- und Entwicklungsprogramm, das sich mit staatlicher Unterstützung an europäische Anlagenbauer richtet, würde zum einen das Risiko der Technologieentwicklung mindern und damit deren Markteinführung und Kostensenkungen für Wasserstoff unterstützen, zum anderen aber auch die Unabhängigkeit von Technologie-Importen stärken.

Der Wasserstoffhochlauf funktioniert – wenn wir es richtig machen. Die vorgenannten Vorschläge zeigen einen Weg auf.


Maßnahmen für einen erfolgreichen Wasserstoffhochlauf

Eine Tabelle, die europäische und nationale regulatorische Anpassungen bezüglich der Wasserstoffpreisgestaltung, Nachfragestabilisierung und technischen Fortschritt zeigt.

Wasserstoff

RWE gestaltet das Wasserstoff-Zeitalter und eine zukunftsweisende Wasserstoffwirtschaft.

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