Die Umsetzung des Kohleausstieges und der geplante Verzicht auf die Nutzung fossiler Rohstoffe wird in den kommenden Jahrzehnten tiefgreifende Veränderungen mit sich bringen, die alle Bereiche des täglichen Lebens, der Wirtschaft und Sektoren (Energie, Verkehr, Industrie, Gewerbe/Gebäude) sowie Infrastruktur und Landnutzung umfassen. Um Strukturbrüche sowie soziale und demographische Verwerfungen für die Menschen weitestmöglich zu vermeiden, sind Wertschöpfungsketten und Industriearbeitsplätze mit hohem Qualifikationsniveau, soweit wie möglich, vor Ort zu erhalten und neue zu erschließen.
Dies gilt insbesondere für das Rheinische Braunkohlenrevier und das Ruhrgebiet. Der gesellschaftlich angestrebte Wandel bei der Energie- und Rohstoffversorgung kann nur durch einen ganzheitlichen und alle Sektoren umfassenden Ansatz nachhaltig gelingen. Neben dem Ausbau regenerativer Energiequellen besteht daher die Notwendigkeit, im zukünftigen, auf der fluktuierenden Stromerzeugung mittels Photovoltaik und Windkraft basierenden Energie- und Rohstoffversorgungssystem, große Mengen an Energie kurz- und langfristig zu speichern und über große Entfernungen zu transportieren.
Gemeinsam mit den Partnern BP Europe, Forschungszentrum Jülich und RWE Renewables Europe & Australia haben wir daher im Rahmen einer vom Land NRW geförderten Konzeptstudie die grundsätzliche Machbarkeit einer Demonstrationsanlage zur Herstellung regenerativer synthetischer Rohtreibstoffe (Methanol, Fischer-Tropsch-Produkte) auf Basis von Klärschlamm (und ggf. anderer Biomasse) und regenerativem H2 an einem RWE-Standort in NRW sowie ihrer Weiterverarbeitung und Nutzung im Ruhrgebiet im großtechnischen Maßstab untersucht und bestätigt. Der Ansatz zielt darauf ab, die Erschließung und Verwertung von grünem Wasserstoff und biogenem CO2 für die Produktion klimaneutraler Treibstoffe (z.B. Flugzeugtreibstoff) zu demonstrieren und dafür Biomasse einzusetzen. Als sinnvolle Größenordnung für ein Projekt wurde eine Jahresproduktion von jährlich mindestens 10.000 Tonnen synthetischer Produkte (eFuel, eChemicals) ermittelt. Die im Rahmen der Studie durchgeführte Standortuntersuchung hat den Knapsacker Hügel als sehr gut geeigneten Standort für die Projektentwicklung und Errichtung einer Demonstrationsanlage bis 2030 identifiziert, da hier neben der vorhandenen Infrastruktur bis Ende des Jahrzehnts auf eine langfristig verfügbare biogene CO2-Quelle (Klärschlamm-Monoverbrennungsanlagen) in der gewünschten Größenordnung zurückgegriffen werden kann.
Ergebnisse der Machbarkeitsprüfung und weitere Vorgehensweise
RWE kann und will entscheidende Teile der Wertschöpfungskette besetzen - von der regenerativen Stromerzeugung über die Herstellung von H2, die Bereitstellung von CO2, und Produktionsstandorten bis hin zum Handel von Produkten.
Die in 2023 durchgeführte Machbarkeitsprüfung bestätigte allerdings sehr deutlich, dass sich ein Demonstrationsanlage im derzeitigen Markt- und Regulierungsumfeld nicht wirtschaftlich realisieren lässt, da die ermittelten Produktgestehungskosten deutlich über den anlegbaren Produktkosten mineralölbasierter Treibstoffe liegen. Um die Herstellung der zur Erreichung der ambitionierten Klimaschutzziele im Fernverkehr (Aviation, Maritime) alternativlosen synthetische Treibstoffe sicherzustellen, bedarf es daher einer weiteren Verbesserung des regulatorischen Umfelds für industrielle Power-to-X-Projekte sowie geeigneter wirtschaftlicher Anreize, zum Beispiel durch eine Anschubförderung.
Derzeit werden potenzielle Partnerschaften im Anlagenbau, aber auch auf der Produkterzeuger- und -abnehmerseite für die technische und kommerzielle Entwicklung eines konkreten Demonstrationsprojektes geprüft.